MATT MULLICAN

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Matt Mullican
Opening: 28. November 2014, 7pm
December 2014 - February 2015

Text zur Ausstellung
Die Konstitution von Welt
- zur Kosmologie Matt Mullicans

In seiner Ausstellung in der Galerie Widauer zeigt Matt Mullican neue Werke, die auf seinem seit den frühen 1970er Jahren entwickelten Konzept einer eigenen künstlerischen Kosmologie beruhen. Die Kosmologie, jene der Astronomie zugeordneten Wissenschaft, beschäftigt sich mit dem Ursprung, den grundlegenden Strukturen und der Entwicklung des Universums.

Matt Mullican geht es in seiner Kosmologie nicht nur um die Widerspiegelung und Analyse rein physikalischer Gesetzmäßigkeiten. Seine Kosmologie ist eine am Künstlerisch Poetischen orientierte Schaffung von Welt innerhalb eines persönlichen und zugleich universellen Kosmos. Matt Mullicans Kosmos umfasst folgende Bestimmungen: Den Farben und auch ihrer Reihenfolge entsprechen spezifische Funktionen. In seinem als Modell konzipierten Diagramm steht der unterste Bereich, Grün (ELEMENTS), als Äquivalent zur Materialität an sich, gewissermaßen als Urzustand von Materie. Die Gegenstände sind hier noch ohne Inhalt oder Bedeutung. Blau (WORLD) bezieht sich auf Aspekte des alltäglichen Lebens, die unmittelbare Erfahrung der Umwelt, daher auch Piktogramme wie Essen oder Haus. Waren diese beiden Stufen Teil der, wie er es nennt, „ungerahmten Welt“, so steht der folgende Bereich, Gelb (FRAME), für das Bewusstsein und auch die Kunst (dem entsprechen Piktogramme für Architektur, Fotografie oder Welt). Schwarz-Weiss (SIGN) repräsentiert die sprachliche Ebene, die Welt der Zeichen und Symbole. In diesem Kontext vollzieht sich auch die Transformation der Wahrnehmungswelt in die Realität des Gedachten und Vorgestellten. So ergibt sich die in ihrer Intensität gleichsam leuchtende Präsenz der letzten Ebene, Rot (SUBJECT), in der unsere durch verschiedene Erfahrungen bestimmte Beziehung zum Symbol thematisiert wird.

Im Hauptraum der Galerie thematisiert der Künstler unterschiedliche Kategorien seines Kosmos. Der Betrachter begegnet den Antagonismen Heaven und Hell. Diesen Fundamentalbegriffen der christlichen Lehre steht die grüne reine Stofflichkeit des Element gegenüber. Er konzipiert diese Werke ganz bewusst als Diptychons, Objekte werden gleichsam zerstückelt, in ihre Teile zersplittert.

Die raue Oberfläche der Bilder korrespondiert mit der Komplexität und Unergründlichkeit des Kosmos. Die fünf monochromen Farbflächen sind inhaltlich konnotiert: Subjective-Language-World framed-World unframed-Elements. Die Bedeutung konstituiert sich aus der Kosmologie des Künstlers. Farbflächen werden zu Bedeutungsträgern kosmologischer Bestimmungen. Die Farben verweisen auf Aspekte der Welt: Von der Subjektivität in der Erfahrung des Objekthaften über sprachliche und piktogrammhafte Zeichen hin zur Zeichenhaftigkeit der Welt und ihrer konkreten Ausformung zur reinen Stofflichkeit.

Der Betrachter bewegt sich in einem Kosmos, der in seinen Schichtungen zugleich vertraut und geheimnisvoll erscheint. Dies zeigt sich besonders eindrucksvoll in der Gegenüberstellung kleinformatiger Bildtafeln, in denen Mullican einen mikrokosmischen Blick auf die Wirklichkeit wirft, mit den feinen, zerbrechlichen Arbeiten aus Glas auf Holztischen, die in ihrer luziden Transparenz subtile Zusammenhänge des Kosmischen sichtbar machen. Eine Schiffsschraube, ein Trommelwirbel oder eine geradezu idyllische Landschaft erscheinen, auch in ihrem abstrahierten schwarz-weiß Äquivalent, als idealisierte Miniaturen des Realen, während die mystischen Glaskugeln die Komplexität und Verschachtelungen existentieller Bestimmungen in ihrer Fragilität und doch auch Kompaktheit darstellen.

Die Ausstellung wird für den Betrachter zu einem Eintauchen in Aspekte kosmologischer Bestimmungen. Er sieht sich einem Kosmos gegenüber, der mit den Mitteln künstlerischer Konzeption eine Welt schafft, die in ihrer scheinbaren Einfachheit fundamentale Bedingungen und Voraussetzungen des Seins sichtbar macht. Die Welt als Materialität, als Piktogramm, als Zeichen, als konkrete Erfahrung, als subjektive Auseinandersetzung mit dem Realen, ein unendlich scheinender Kosmos.

Gaby Gappmayr, 2014