Peles Empire
the other amber
Opening: 05. November 2021, 6pm
November 2021 - January 2022
PELES EMPIRE “ the other amber” Referentialität zwischen Architektur und Historie
Hinter dem schon rein sprachlich historisierenden und schillernden Namen Peles Empire verbergen sich zwei künstlerische Identitäten, Katharina Stöver und Barbara Wolff. Die beiden Künstlerinnen thematisieren in der für die Galerie Widauer konzipierten Ausstellung ein Bedeutungs- und Bezugsgeflecht zwischen Elementen des Architekturalen und einer Ebene historischer Referenzen. Ausgangspunkt der künstlerischen Konzeption ist zum einen das zum Synonym für historisierende Architektur und einer Zusammenschau unterschiedlichster Stile und Epochen gewordene ehemalige Königsschloss Peleș in Rumänien, unweit der Stadt Sinaia. Zum anderen interessiert die beiden Künstlerinnen der Umgang mit Historie, sei es als kunstgeschichtlich stilistische Referenz oder als allgemein historische Bedeutungsebene. Zudem nehmen sie auch Bezug zum Ausstellungsort selbst. So sind die für die Galerie Widauer charakteristischen Elemente wie die roten Fenster, das Glas und der Betonboden integrativer Bestandteil des künstlerischen Beziehungsgeflechts. Der Galerieraum wird zum Ausgangspunkt einer komplexen Reise in eine Welt der Mythologie, der Wissenschaft, der objekthaften Realität und der Bedeutungsgeflechte. So begegnen uns im großen Raum Elemente von Cleopatre, Kleopatra, jene von 52 bis 30 vor Christus regierende mythische Pharaonin Ägyptens, deren Liebschaften mit Julius Caesar und Marc Antonius in das kollektive kulturelle Gedächtnis der Menschheit eingingen. Die einem Gobelin der Sammlung des Schlosses Peleș entnommene Darstellung ist eine durch die europäische Sichtweise geprägte historisch stilistische Transformation in ein der ursprünglichen Person völlig entfremdetes Bild, das auch Bezüge zu Christusdarstellungen freilegt. Elemente dieser Darstellung erscheinen als studienhaft dreidimensionale Keramikschichtungen auf Glassockeln im Raum. Rötliche Ablagerungen mineralischer Elemente erweitern die Bedeutungsebenen des Historischen.
Die Figur der Kleopatra erscheint als Bildelement auf einer raumfüllenden Wandtapete, die wiederum den Galerieraum aufgreift und somit eine neue formale und historische Bezugsebene einführt. Charakteristisch für die Künstlerinnen ist das Changieren zwischen Flächenhaftigkeit und Räumlichkeit, das auch auf den Bildern besonders durch die Verwendung von Jesmonite, jenem wasserbasierten Kompositmaterial aus Acrylharz und Gips, sichtbar wird.
Auf subtile Weise hinterfragen die beiden Künstlerinnen überlieferte Wertesysteme und Epochenbezüge. Gerade durch die scheinbare Auflösung des Historischen setzen sich Raum- und Bildfragmente neu zusammen. Eklektizismus als Welterklärung. Die Überlagerungen von Zitaten (auf formaler, inhaltlicher, materieller Ebene) schaffen eine neue Bedeutungswirklichkeit. Auf der gegenüberliegenden Wand des großen Galerieraumes sind das Feuer und die Entdeckung der Elektrizität Thema der Wandfläche. Ca. 550 v. Chr. entdeckte der griechische Mathematiker und Philosoph Thales von Milet die elektrische Ladung von Teilchen. Beim Reiben von Bernstein – und hier schließt sich der Referenzrahmen des Ausstellungstitels „the other amber“ – stellte er fest, dass er Teilchen anziehen konnte. So spiegelt auch der Name Elektron (für die negativ geladenen Teilchen), dem altgriechischen Wort für Bernstein, als sprachliches Element jene bedeutende Entdeckung bis heute wider.
Die beiden Künstlerinnen sind Spurensucherinnen, die elementare Elemente des Historischen in neue, spannende Bedeutungszusammenhänge stellen und durch formale sowie semiologisch semantische Transformationen zeitlich kulturelle Hierarchien auflösen und in Frage stellen. Wie ihr Werkstoff wird auch die Bedeutungsebene ihrer Werke zu einer existentiellen Reflexion über Zeit und Raum.
Gaby Gappmayr 2021