Oliver Laric
May - September 2020
Text zur Ausstellung
Oliver Laric - Transformationen zwischen analoger und digitaler Wirklichkeit
Oliver Larics künstlerisches Konzept beruht zum einen auf einer Hinterfragung und Problematisierung der Rezeption von Kunst, zum anderen geht es dem Künstler um fließende Übergänge zwischen der Welt des Digitalen und einer physischen Wirklichkeit.
Der virtuelle Raum ist nicht mehr nur ein Gegenentwurf zur realen Welt der Gegenstände. Vielmehr entwirft Laric dreidimensionale Skulpturen, deren Genese jedoch nicht mehr auf die Idee des „Schnitzens“ oder „Meißelns“ zurückzuführen ist wie in der klassischen Skulptur, bei der ein Kunstwerk aus einem vorhandenen Block herausgearbeitet wurde. Der Begriff des „Bildhauers“ bezieht sich bei Laric auf den Umgang mit vorhandenen historischen Strukturen. Für die aktuelle Ausstellung in der Galerie Widauer greift er unter anderem auf historisch bedeutende, bereits existierende Skulpturen zurück, etwa auf den berühmten Gotenkönig Theoderich, der nach einem Entwurf von Albrecht Dürer und 1513 gegossen von Peter Vischer d.Ä. Teil der 28 Bronzefiguren um das Grabmal Maximilians I in der Hofkirche in Innsbruck ist. Für Laric ist dies jedoch erst Ausgangspunkt seiner künstlerischen Intervention. Die Transformation beginnt mit dem digitalen 3D Modell. Der Künstler modifiziert die reale Skulptur - im genannten Beispiel fehlt etwa das Schwert Theoderichs und auch den Helm setzt er anders. Der in der Ausstellung gezeigte digitale Print (Diasec 2020) ist somit die Abbildung einer bereits modifizierten ikonischen Darstellung einer Skulptur, die so in der Realität nicht existiert. Thema ist hier jedoch nicht so sehr das kunstgeschichtliche Zitat, sondern vielmehr die Transformationen eines Kunstgegenstandes, die nahtlos fließend unterschiedliche historische Epochen und unterschiedliche Räume durchziehen.
Mit der Frage nach der Relevanz von Realität berührt der Künstler ein überaus aktuelles Thema. Was in seinen Skulpturen als gleichsam selbstverständliche künstlerische Auseinandersetzung mit historischer Formensprache erscheint, ist tatsächlich eine subtile Auflösung scheinbar unumstößlicher Gewissheiten. Es ist Theoderich, den wir auf dem Bild sehen, zugleich ist er es aber nicht. Er löst sich in einer anderen Ebene der Wirklichkeit auf, wird zur rein formalen Reminiszenz einer analogen Welt, die sich durch die digitale Umsetzung aber jedes Zugriffes verwehrt. Aus diesem Grund reizen den Künstler auch ikonenartige Skulpturen mit expressiven formalen Zügen, wie etwa die in sich verschmelzenden Grauabstufungen der aus Kunstharz und Stahl gefertigten Berliner Johannesschüssel. Das Skurrile, Exzentrische Seltsame eignet sich besonders für Larics paradoxe analoge, virtuelle Metamorphosen . So sind der abgehakte Kopf des Jochanaan oder auch der Groteskenhelm, ebenfalls aus der Sammlung Maximilian I, Verkörperungen einer rein digital konstruierten Wirklichkeit . Sie sind etwas, das es eigentlich so nicht gibt. Der Blick des Künstlers legt Schichtungen der Konstruktion dieser digitalen Wirklichkeit bloß. Historische Augenblicke werden behutsam ins Hier und Jetzt transponiert, formale Charakteristika der Skulpturen werden modifiziert, das Prozessuale der digitalen Erschaffung einer Wirklichkeit spiegelt sich wider in der mythologisch anmutenden Wesensveränderung der ursprünglichen Kunstwerke, sowohl in Bezug auf zeitlich historische und formale Aspekte als auch besonders auch hinsichtlich der Materialität. Die amorphe, gläserne Präsenz und die Fragilität auch in der nuancierten Farbgebung seiner Skulpturen (etwa auch beim „Hunter and his Dog“ 2018) verleihen ihnen eine Distanziertheit und im wahrsten Sinne des Wortes Entrücktheit, die auf subtile Weise mit der Genealogie der Werke einhergehen.
Gaby Gappmayr 2020