Manuel Gorkiewicz
international décoratif  industrial modern

Opening: 27. Juni 2025, 6pm
Juni - August 2025

Text zur Ausstellung
Manuel Gorkiewicz Industrial décoratif modern

Die aktuelle Ausstellung von Manuel Gorkiewicz in der Galerie Widauer ist eine vielschichtige Schau mit historischen, architektonischen, städtebaulichen und künstlerischen Bezügen.

Gorkiewicz bezieht sich in seinem Titel zur Ausstellung auf die historisch bedeutende Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes, die 1925 in Paris stattfand. Die Weltausstellung markierte einen Wendepunkt in der Geschichte des Art Déco, das zur damaligen Zeit noch als Style moderne bezeichnet wurde. Zum einen entwickelte sich das Art Déco als Reaktion auf biomorphe und organische Formen des Jugendstils zu einer von den klaren und geometrischen Formen etwa des Kubismus beeinflussten Bewegung mit durchaus klassischen Idealen in der Architektur aber auch in Möbel- und Dekorationsobjekten. Zugleich war auf jener Weltausstellung die Avantgarde präsent, so etwa der vom Architekten Konstantin Melnikov entworfene sowjetische Pavillon oder auch der Pavillon der Zeitschrift Esprit Nouveau, konzipiert von Le Corbusier und Pierre Jeanneret, die Werke von Picasso, Ozenfant oder Léger präsentierten.

Gorkiewicz greift hier die Idee einer Transformation von Material, Farbe und Form auf und versteht den Galerieraum, die Skulpturen und die Bedingungen des Materials als Komposition eines Universums, das von Struktur, Farbe und Form bestimmt wird. Der Bezug zur Welt industrieller Produktion wird schon in der Wahl des Materials sichtbar: Es ist Gummi, wie er etwa für die Herstellung von Autoreifen verwendet wird oder auch Naturkautschuk, der aus dem Milchsaft des Kautschukbaums gewonnen wird. Er setzt das Material als Formträger seiner skulpturalen Gebilde ein, deren Ursprungsform die von  Gorkiewicz seit Jahren entwickelten Girlandenformen aufgreift. Das Farbspektrum ist reduziert, evoziert industrielle Produktion und spiegelt auch die Fassade der Galerie wider: grau – schwarz – rot. Seine raumgreifenden Gebilde hängen an massiven Ketten von der Decke der Galerie. Ihr eigentlicher Umriss ist aus der Gummifläche herausgeschält, aus der er sich in die Höhe schraubt. Die Negativform am Boden gibt den Blick frei auf den Betonboden der Galerie, der sich harmonisch in die Formenwelt einfügt.

Der Künstler versteht es, Sehgewohnheiten zu brechen, Assoziationen zu wecken und zugleich zu hinterfragen und schafft so neue Erlebniswelten. So steht im kleinen Galerieraum eine kraftvolle, klar strukturierte Form aus Aluminium. Dahinter sind drei kleinere Wandarbeiten, die wiederum ikonische Massenprodukte der 1980er Jahre aufleben lassen, wie die Ananas, die Cocktailschirmchen oder auch Tierformen. Jedoch löst Gorkiewicz sie aus ihrem ursprünglichen Kontext und verleiht ihnen durch ihre ungewöhnliche Materialität, ihre Größe und Plastizität skulpturale Relevanz.

Als thematisches Leitmotiv ist das ca.20 minütige Video Gregarious Beasts von 2022 zu sehen. Auf originelle Weise, nämlich mit einer Bodycam und einem voiceover, erforscht der Künstler das Beverly Hills Civic Center in Los Angeles, konzipiert in den 1980er Jahren von Charles W.Moore. Ein Sportler durchmisst das postmoderne Ensemble im Parkour-Stil. Dazu sind Ausschnitte aus dem Buch The Heart of our Cities (1964) des österreichisch-amerikanischen Architekten Victor Gruen zu hören. Die kunstvolle Durchdringung unterschiedlicher Bedeutungs- und Kontextebenen führt zu einer Neudeutung des Konzepts von Urbanität, gerade auch im Hinblick auf die unterschiedlichen städtebaulichen und architektonischen Voraussetzungen in Europa und den USA.

Gorkiewicz postuliert mit seinem bewusst eklektischen, d.h. aus vermeintlich disparaten historischen, architektonischen und formalen Kontexten angelegten Werk ein künstlerisches Konzept, in dessen Mittelpunkt die Verdichtung unterschiedlichster Quellen steht, aus denen in einer Art künstlerischer Metamorphose Neues entsteht. So trifft einfaches, in Massen produziertes Grundmaterial auf scheinbar banale Grundformen wie Girlanden, Schirmchen oder Mustermöbel bzw.-dekorationen, die aber in der Gesamtschau unter Einbeziehung des architektonischen Umraums neue, vielschichtige Gebilde ergeben, die als eigenständige Formen ihrerseits wiederum den Idealen einer klaren, an geometrischen Formen und einer minimalistischen Farbwelt orientierten Kunst entsprechen.

                                                                                                         Gaby Gappmayr 2025