Herbert Hinteregger
Opening: February 2021
Text zur Ausstellung
Herbert Hinteregger
Angesichts des vielerorts herrschenden Zerrbilds einer alpinen Tradition, wirken die Bilder Hintereggers streng und mit ihren Bezüglichkeiten, auch denen auf die Natur, einer oftmals versteckten österreichischen Moderne verschrieben. Passen seine Bilder doch mehr zur Haltung eines Architekten wie Lois Welzenbacher als zu einer „Apres Ski Alm“.
Hintereggers Einstandsausstellung in der Galerie Widauer vereinigt Bilder seiner ganzen Entwicklung und Schaffensperioden bisher fast retrospektivartig und verbindet diese waghalsig in atemberaubender Inszenierung. Dies passiert ihm in letzter Zeit immer wieder gerne und auch sehr absichtsvoll, um den Betrachter aufzufordern, seinen Blick anzupassen und den eigenen Standpunkt zu relativieren, wie er es in Innsbruck auch schon in seiner Präsentation im Taxispalais 2017 getan hat.
In der Galerie nun bindet er den Raum durch eine, komplementär zur roten Fassade der Galerie, grünen Linie ein, die eine andere Ordnung ergibt als sie der Raum vorgibt. Die Bilder „unter-werfen“ sich in ihrer Anordnung der Linienführung alles andere als klassisch. So kommen verschiedene Formate aus verschiedenen Zeiten wie Streifenbilder und netzartig erscheinende Bilder mit großformatigen monochromen und neuen roten zusammen, die für diese Ausstellung entstandenen sind. Dieser – sein – Umgang mit seinen Bildern macht wach und kritisiert im besten altgriechischen Sinne des Wortes als „Unterscheidung“ seine Umgebung.
Streifenbilder hat Herbert Hinteregger natürlich nicht erfunden, denkt man doch etwa an den frühen Frank Stella, an Agnes Martin oder Daniel Buren als einen der Großväter der konzeptuellen Kunst. Aber Hinteregger ist anders – ganz anders. So sind denn oft persönliche Ausgangspunkte Hintereggers für seine Malerei Naturerfahrungen, wie der Blick auf den Schwarzsee bei Kitzbühel oder das tiefe Grün von manchen Wäldern. Und trotzdem sind seine Bilder abstrakt und überlassen solche Erfahrungen ganz dem Betrachter. Dies gilt auch für die Maluntergründe, die er verwendet. Mal ist die Leinwand grundiert, mal benutzt er rohen Rupfen oder andere Stoffe und seit einiger Zeit nun auch Loden, der für das Auge eine kaum eindeutig fassbare Oberfläche für Hintereggers Malauftrag ergibt.
Es gibt keinen Schaubudenzauber, sondern distanziert wirkende Vorstellungsmöglichkeiten, die sich auf vermeintliche Wiedererkennbarkeit stützen, wie die Erfahrung mit Streckenplänen des öffentlichen Verkehrs oder Grundrissen von Häusern oder ähnlichem, aber eben so abstrakt gehalten, dass diese Vorstellungen auch gleich wieder zu einfach erscheinen, sind die Bilder doch mehr der Malereitradition verschrieben als direkten Bezugnahmen in der Realität. Dies besonders auch durch die Farben, die Hinteregger einsetzt. Sie wirken ungewöhnlich, fast befremdlich, entsprechen sie doch kaum den herkömmlichen und traditionellen Farbmitteln. Die deutlich changierenden Farbverläufe, die beim Abgehen der Bilder sichtbar werden und der Farbauftrag überhaupt sind ungewöhnlich, benutzt er doch meist Kugelschreibertinte, die er aufwendig aus den Stiftminen gewinnt. Also vornehmlich Blau, Rot, Grün und Schwarz und Mischungen daraus. Seit neuem sind auch Neonfarben dazugekommen. Diese Farben weisen einerseits den Blick zurück, insbesondere durch ihren öligen Glanz, andererseits kann man „hineinschauen“ wie bei Gewässern. Auch kommen verschiedene Sande von Flussufern zum Einsatz, aber auch Schleifpapier und Klebebänder. Früher trug er die Farbe manchmal mit Schwämmen auf, was Oberflächen geradezu keramikartig erscheinen ließ.
Das Experimentieren mit Materialien und die Weiterentwicklung seiner Techniken zeichnen ihn Hinteregger bis heute aus.
Axel Jablonski 2021