





Heimo Zobernig
Opening: 09. May 2025, 6 pm
May- June 2025
Heimo Zobernig Objekt und Reihe
Wenn man den Hauptraum der Galerie Widauer betritt, fällt der Blick auf eine Reihe mittelhoher Regalkonstruktionen aus Aluminium. Genauer gesagt sind es fünf hintereinander aufgestellte zwei Meter hohe und 80 cm breite regalartige Objekte, die vom großen Raum in den kabinettartigen kleineren Raum führen. Diese raumgreifende Installation ist in vielerlei Hinsicht charakteristisch für das künstlerische Konzept Zobernigs.
Zum einen scheint es eine an minimalistischer Architektur oder auch der Minimal Art orientierte Kunst zu sein: geometrische Form, minimalistisches Design, klare, schnörkellose Materialität, in diesem Fall kompaktes Aluminium. Was jedoch das Werk Heimo Zobernigs auszeichnet, ist seine subtile Art der Transformation des Gegenständlichen. Dabei spielt natürlich der kunsthistorisch bedeutende Ansatz zu Beginn des 20.Jahrhunderts eine wesentliche Rolle. Der Kontext kann nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch das Objekt selbst verändern. Und so ist es kein Zufall, dass uns die Form und Einfachheit der Konstruktion an die serielle Produktion günstiger Ikeamöbel erinnert. Ironischerweise werden diese ja zumeist mit personifizierten Bezeichnungen versehen, um so ein quasi freundschaftliches Verhältnis zwischen Gebrauchsmöbel und Besitzer*in herzustellen: das Bücherregal Billy. Bei Zobernig hat das Regal aber keinerlei Funktion mehr. Es ist, was es ist, ein Credo minimalistischer Kunst. Das Regal ist ein Unikat aber auch Teil einer Reihe. Dieses Changieren zwischen der Schönheit des einzelnen Objekts und seiner Reproduzierbarkeit ist intendiert.
Einerseits betont Zobernig die Präsenz des unmittelbar Realen und Unverwechselbaren, um es aber zugleich als Teil einer Reihe semantisch in Frage zu stellen. Kennzeichnend für die Reihe ist das Wechselspiel zwischen Individuellem als Einzelbild und Teil eines größeren Ganzen. Ins Philosophische übertragen erinnert dies etwa an die Rolle des Einzelgegenstands als etwas Individuelles, Unverwechselbares im Spannungsverhältnis zum Universellen.
Einem ähnlichen Prinzip folgt Heimo Zobernig mit seinem Flyer Druck mit dem Wortspiel SELF SHELF EDITION. Seine Werke haben zumeist keinen Titel, aber sie sind selbsterklärend, auch dies ein Paradoxon, das eine lange künstlerische Tradition hat. Auf kleinformatigen Bildern in zurückhaltendem Schwarz Weiß Silber entsteht durch unterschiedliche Hervorhebung der Buchstaben der Schriftzug Self (Selbst) Shelf (Regal) Edition (Auflage). Ein Multiple, das sich gleichsam sprachlich selbst definiert. Es geht ihm jedoch nicht um tautologische Paradoxien, sondern um die Interferenz zwischen zwei völlig unterschiedlichen Genres: Malerei und Sprache. Ein schönes Beispiel dafür ist das zwei mal zwei Meter große Bild im Hauptraum. Das Quadrat ist - ganz im Geist geometrischer Kunst - in vier gleich große Quadrate aufgeteilt. Buchstaben sind zu erkennen, welche die Worte REAL EGAL hervortreten lassen. Die in schwarz, weiß und diversen Grauabstufungen eine wunderbar reduzierte Farbwelt ermöglicht, eine konstruktive Schichtung, malerisch und sprachlich. Auch hier versetzen die als geometrische Formen sichtbaren Elemente der Worte das Bild in einen Schwebezustand. Bei der Betrachtung des Bildes überlagern sich piktorale und linguistische Eindrücke. Die begriffliche Relevanz der Worte REAL EGAL treffen auf die präzisen malerischen Schichtungen.
Heimo Zobernigs Werk ist von großer aktueller Brisanz. Das Einzelne als Teil einer unendlichen Menge. Das Multiple und die Serialität als Ausdruck des Verlustes an Individualität, aber zugleich auch die Referenz des Kunstobjekts als Alltagsgegenstand und dessen Umkehrung sind wie ein Spiegel dessen, was Kunst heute sein kann. So ist Zobernigs Werk eine Hommage an die Kraft des konstruktiv anonymen Objekts, dessen Relevanz in seiner Isolierung im Kunstkontext und der Doppelbödigkeit zwischen malerischer und sprachlicher Realität sichtbar wird.
Gaby Gappmayr 2025